Die EU will, dass die Polizei keine Täterprofile auf „Grundlage der Rasse oder der ethnischen Zugehörigkeit“ zur Strafverfolgung nutzt. Dabei bieten hier neue Entwicklungen in der Analyse von Erbanlagen ungeahnte Möglichkeiten.
Dieser Artikel von Thorsten Seifter ist im Printmagazin Nr. 30 „Vorsicht Mogelpackung! „Die Grundrechte von Menschen afrikanischer Herkunft in Europa““ erschienen, das Sie jetzt kostenlos zu jedem Abo erhalten.
Moderne genetische Verfahren haben längst ihren Weg aus ihrer eigentlichen Disziplin, der Genetik/Molekularbiologie, in die anwendungsorientierte Medizin sowie die Kriminologie gemacht. Wenngleich DNS-Analysen hinsichtlich der Verbrechensaufklärung große Möglichkeiten eröffnen, dürfen die durch eine unzureichende Kritik entstehenden Schattenseiten nicht unbeleuchtet bleiben.
Die Möglichkeiten von DNS-Analysen
Die Forensik beschäftigt sich in profunder, wissenschaftlicher Weise mit der Kriminalität. Durch das Aufkommen der DNS-Analyse wurde es ihr möglich, fälschlich verdächtigte Personen zu entlasten, andererseits Verdächtigen die Schuld besser nachweisen zu können bzw. im Falle von ungelösten Fällen überhaupt erst zu einer Identifikation des potentiellen Täters zu kommen. Auf der anderen Seite kam und kommt es zu Fehlern, wodurch Unschuldige angeklagt oder verurteilt werden.
Probe ist nicht gleich Probe
Es liegt auf der Hand, dass DNS-Proben, die unter (faktisch) klinischen Bedingungen gesammelt werden, wesentlich zuverlässiger und einfacher zu analysieren sind, als jene, die häufig an Tatorten genommen werden. An Tatorten sind die Proben nicht selten von schlechter Güte (da sie Hitze, Feuchtigkeit etc. ausgesetzt sind), gering im Ausmaß bzw. weisen auf mehrere Personen hin, was die Interpretation erschwert.
In der Praxis allerdings steigt der Druck, solide Resultate auch bei minderen Proben zu liefern, z. B. bei einem DNS-Gewirr auf einem Lichtschalter. Dazu kommen noch schwer zu beantwortende, wiewohl wichtige Fragen des Zeitpunkts der Beiträger zur DNS-Spur. Früher stellten sich diese Fragen ohnehin nicht, da man weitaus größere Mengen an DNS benötigte, um überhaupt tätig werden zu können. Heute genügen den modernen Analytikern eine Handvoll Zellen. Außerdem spielt in dem Zusammenhang ungewollte Kontamination eine Rolle, was früher bei Blutspuren oder Körperflüssigkeiten, die am Tatort gefunden wurden, unwahrscheinlicher war; heute jedoch, wo beispielsweise abgefallene, gefundene Hautzellen der ziemlich beständigen DNS analysiert werden können, die von Personen stammen könnten, die gar nicht in Kontakt mit dem Opfer oder zum Zeitpunkt am Tatort waren, ist dies von Relevanz.
Neue technische Möglichkeiten
In den letzten Jahren tut sich auch in den technischen Details einiges, wodurch nicht mehr bloß Individuen identifiziert werden können, sondern zusätzlich auch genauere phänotypische Charakteristika (Haarfarbe etc.) bzw. Material, das mütterlicher- oder väterlicherseits vererbt wurde, aufdecken, ferner auch exaktere Angaben zur Herkunft. Dies alles hilft, gemischte DNS-Proben sicherer zu unterscheiden, obwohl im Falle der gemischten Proben noch Verbesserungen in der Forschung notwendig, aber bereits zu erwarten sind. Laufend erfundene neue Techniken, die hier hilfreich sein können, müssen sich allerdings zuerst statistisch und methodisch bewähren, ehe sie in der Forensik Einzug halten werden.
Nicht zuletzt hinsichtlich statistischer Verfahren in den USA tun sich nach wie vor Fragen auf, welches besser geeignet wäre, um falsche Ergebnisse in komplexen Fällen zu vermeiden, wodurch Unschuldige verurteilt werden könnten. Vor allem bei Proben, die aus mehreren Quellen stammen, ist die Verlässlichkeit nicht immer gegeben; je größer die Anzahl der Beiträger zur Probe, desto schwieriger ist diese Probe auszulesen. Insofern wird auch der Umgang vor Gericht hinsichtlich der als absolut sicher verallgemeinerten DNS-Ergebnisse in den USA mitunter kritisiert.
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Immenser technischer Fortschritt
Die Technik in der Auswertung schreitet jedoch voran. Mittels neuer Maschinen, die die Größe von handelsüblichen Druckern haben, die einfach zu bedienen sind und in nicht einmal einer Stunde DNS-Profile aus einer Probe erstellen können, werden bereits zu 80% in nicht gemischten Proben verlässliche Ergebnisse (wenngleich die manuelle Testung derzeit noch genauer ist) geliefert. Die Analyse könnte also bereits von der Polizei selbst erfolgen und ein etwaiger Abgleich mit Datenbasen würde z. B. schneller dazu führen, Verbrechen aufzuklären. Durch die mit großer Wahrscheinlichkeit in Größe schrumpfenden und in Schnelligkeit zunehmenden Geräte wird es möglich, viel einfacher DNS-Proben zu verwerten, auch im polizeilichen Straßen-
einsatz.
Die aktuellen DNS-Proben beschränken sich zumeist auf einige Abschnitten des Genotyps, nicht aber auf den Phänotyp, der den Genotyp nach außen repräsentiert (also in Aussehen etc.). Aktuell wird vor allem das Geschlecht und manchmal die Herkunft mitanalysiert, ein Profil der entnommenen Probe erstellt und mit gespeicherten DNS-Daten in Datenbanken verglichen, um den Verdächtigen zu identifizieren. Wenn ein Abgleich nicht funktioniert, ist es möglich, aus der Tatortprobe mehr herauszulesen. Durch die Nutzung phänotypischer Informationen können Fahndungsfotos aus dem Genmaterial erstellt werden. Feinheiten, die eine Person dann exakt spezifizieren würden, sind nicht immer gegeben, jedoch zeigt die Technik gute Fortschritte. In der Zukunft wird es möglich sein, dass DNS-Profile etwa auch mit im Internet auffindbaren (z. B. in sozialen Netzwerken) Fotos abgeglichen und damit Treffer erzielt werden, und sei es nur, um einen Täter eingrenzen zu können.
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