Am letzten Juniwochenende fand in Essen der Bundesparteitag der AfD statt. Während sich die Parteispitze über die große Geschlossenheit auf dem Parteitag freute, gab es auch kritische Stimmen. Eine dieser Stimmen ist Dirk Spaniel, AfD-Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg. Im Interview mit Info-DIREKT erklärt er, warum er nichts davon hält, wenn Parteitage im Vorfeld choreografiert werden, um notwendige Diskussionen zu unterbinden.
Info-DIREKT: Herr Spaniel, im Zusammenhang mit dem vergangenen Bundesparteitag beklagten Sie den fehlenden Willen zu inhaltlichen Auseinandersetzungen in der AfD. Was genau meinen Sie damit?
Dirk Spaniel: Aus meiner Sicht wurden wichtige Fragen nicht ausreichend diskutiert. Was ist beispielsweise mit dem Kurs in Europa? Wie deutlich wollen wir Remigration thematisieren? Warum haben wir uns im Wahlkampf nicht klar zur DEXIT-Option geäußert? Wollen wir eine strategische Zusammenarbeit mit Kleinstparteien? Über all das hätten wir sprechen müssen, um eine klare gemeinsame Linie zu definieren.
Info-DIREKT: Ist es nicht gut, dass die Partei endlich etwas zur Ruhe kommt und weniger streitet?
Spaniel: Streit und Diskussion ist etwas völlig Unterschiedliches. Streit beinhaltet sachfremde Argumente und gegebenenfalls auch persönliche Diffamierung. Politisch unterschiedliche Standpunkte muss man diskutieren. Wer das nicht tut, vergibt eine Chance, großen inhaltlichen Rückhalt in einer Partei zu erreichen. Natürlich kann man inhaltliche Differenzen verschweigen, das wird sich aber zu einem späteren Zeitpunkt rächen. Darüberhinaus wirkt die Festlegung auf eine politische Position auch medial nach außen.
Info-DIREKT: Um welche Themen sollte die Partei ringen?
Spaniel: Die innerparteilichen Unklarheiten bezüglich einer Zusammenarbeit mit verschiedenen Parteien in Europa ist eine zentrale Frage. Wir müssen uns als Partei eine Linie geben, damit die Europapolitiker sich daran orientieren können. Die tatsächliche Zusammenarbeit auf europäischer Ebene kann nicht alleinig in die Hände der EU-Abgeordneten oder des Bundesvorstandes gelegt werden. Zumal speziell im Wahlkampf das Thema DEXIT und Zusammenarbeit mit anderen europäischen Partnern sagen wir mal „suboptimal“ kommuniziert wurde.
Info-DIREKT: In Wirklichkeit geht es doch um die Frage, wollen wir politisch exponierte Themen sachlich in der Öffentlichkeit vertreten oder reduzieren wir uns auf eine gesellschaftlich akzeptierte Themenauswahl. Wohl wissend, dass dies immer von außen vorgegeben wird. Zwei Punkte:
Spaniel: Durch äußere Skandalisierung wurde uns plötzlich das Thema „Remigration“ zugeschrieben. Am Ende wurde von der Mainstreampresse das Narrativ gespielt, dass Remigration die Ausbürgerung deutscher Staatsbürger beinhalten würde.
Ein „quasi“- Schuldeingeständnis durch interne Maßnahmen gegen Teilnehmer des skandalisierten Treffens in einem Potsdamer Seehotel war in der Glaubwürdigkeit der Gegen-Argumentation nicht hilfreich. Im Ergebnis dieses Skandals ist eine klare Positionierung und auch Kontakt bzw. Zusammenarbeit mit externen Gruppen auf dem Gebiet der Remigration nun immer von einem Damoklesschwert mit Konsequenzen für Parteimitglieder und abhängig Beschäftigte bedroht.
Info-DIREKT: Und der zweite Punkt?
Spaniel: Hier lautet die zentrale Frage, wie gehen wir mit Angriffen der Medien auf exponierte Politiker in der Partei um. Es gibt viele, die sich fragen warum wir einen Spitzenkandidaten „kaltgestellt“ bzw. zurückgezogen haben und das im laufenden Wahlkampf. Auf einem Bundesparteitag mit Neuwahl des Bundesvorstandes hätte ich mir gewünscht, dass die Delegierten dem Bundesvorstand hier eine klare Handlungsanweisung für zukünftige ähnlich gelagerte Fälle geben.
Info-DIREKT: Was braucht es für eine positive Streitkultur?
Spaniel: Eine positive Streitkultur wird geprägt durch Fairness, gerade auch gegenüber Minderheiten. Gesellschaftlich erleben wir gerade, dass die Menschen in diesem Land kein Vertrauen mehr in die etablierte Politik haben. Sehr stark verkürzende Diskussionen haben dazu geführt, dass viele Menschen in diesem Land und insbesondere die AfD-Anhänger mehr Transparenz wollen. Es ist die Aufgabe einer glaubwürdigen Oppositionspartei unterschiedliche Standpunkte zu beleuchten. Am Ende sollte eine abwägende Entscheidung getroffen werden.
Info-DIREKT: Personen, die unpopuläre Positionen vertreten, verlangen immer, dass man für Diskussionen offen sein müsse. Personen, die die Mehrheitsmeinung vertreten, rufen hingegen immer zu mehr Disziplin und weniger Diskussionen auf. Ist die Forderung nach mehr Diskussionen nicht ein Eingeständnis von Schwäche?
Spaniel: Natürlich ist die Abkürzung von Diskussionen ein Symbol der Stärke. Wenn aber weite Teile der Partei sich nicht wieder finden, fehlt deren aktives Engagement. Die AfD ist wie keine andere Partei auf die Unterstützung der ehrenamtlichen Mitglieder angewiesen. Wenn wir die interne Diskussion unterbinden und Wahlen im Vorfeld choreografiert sind, vergibt sich die Partei die Chance einer großen, aktiven Beteiligung. Langfristig führt das zu Demotivation und Passivität.
Man sollte auch nicht vergessen, dass die aktuellen Umfragewerte der AfD im Wesentlichen auf der Schwäche anderer Parteien basieren. Es ist unwahrscheinlich, dass dieser Zustand bei aktivem Wahlkampfmanagement und entsprechender Rhetorik unserer politischen Gegner so bleibt.
Die AfD ist auch deshalb so erfolgreich, weil der Meinungsbildungsprozess intern authentisch wirkt. Das gilt es zu erhalten. Ergänzt um klare, gemeinsam ausdiskutierte Positionen und Ziele sowie eine entsprechende Strategie, würden endlich zu Ergebnissen führen, die uns einer Regierungsbeteiligung wesentlich näher bringen.
Über Dirk Spaniel
Dirk Spaniel ist seit 2017 Bundestagsabgeordneter für die „Alternative für Deutschland“ (AfD). Er fungiert als verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion und ist Obmann im Verkehrsausschuss. Am Parteitag in Essen kandidierte Spaniel für den Bundesvorstand der AfD. In einer Kampfabstimmung unterlag er jedoch Kay Gottschalk. Geboren wurde Spaniel 1971 in Marburg a.d.Lahn, nach dem Abitur studierte an der RWTH Aachen Maschinenbau. Spaniel lebt mit seiner Familie in Stuttgart und in Berlin. Davor Auslandsaufenthalte in Detroit (USA) und Sao Paulo (Brasilien). Zuletzt arbeitet Dirk Spaniel in der Entwicklung eines großen Automobilherstellers. Spaniel auf Telegram, Facebook, Instagram, YouTube. www.dirkspaniel.de
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