Gestern haben die Vorarlberger einen neuen Landtag gewählt. Die ÖVP konnte trotz Verlusten ihren ersten Platz souverän absichern. Die FPÖ fuhr ein sehr gutes Ergebnis ein, vielleicht wäre aber noch mehr drinnen gewesen.
Eine Wahlanalyse von Michael Scharfmüller
Mit Spannung wurde die Landtagswahl in Vorarlberg erwartet. Dort galt die ÖVP nicht nur aufgrund der katastrophalen Politik von ÖVP-Bundeskanzler Nehammer und Co. als angezählt, sondern auch aufgrund eines Korruptionsskandals rund um den schwarzen Wirtschaftsbund (ORF-Zusammenfassung und „Info-DIREKT Live-Podcast“ dazu) in dem auch ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner eine Rolle spielte.
Taktisch kluge ÖVP
Trotz der schlechten Ausgangslage für die ÖVP gelang es Landeshauptmann Wallner seine Partei wieder als erstes über die Ziellinie zu bringen. Trotz einem Verlust von 5,15 Prozent brachte es die ÖVP noch auf 38,38 Prozent Stimmenanteil. Damit liegt die ÖVP ganz klar vor der FPÖ, die ihr Ergebnis mit 28,21 Prozent (+14,28 %) verdoppeln konnte.
Dass ÖVP-Wallner trotz Verlusten ein gutes Ergebnis einfahren konnte, könnte auch daran liegen, dass er – entgegen der Umfragewerte – ein Duell mit FPÖ-Vorarlberg-Chef Christoph Bitschi ausgerufen hat. Das dürfte dazu geführt haben, dass viele Menschen die ÖVP wählten, um einen blauen Landeshauptmann zu verhindern, den Wallner als zu jung und unerfahren für den Posten darstellte.
SPÖ sucht Schuld für eigenes Versagen bei anderen
Diese Vermutung teilt auch Mario Leiter, Spitzenkandidat der SPÖ. Er bezeichnet das Vorgehen der ÖVP als „Blendgranate“ und sucht darin die Schuld für sein eigenes Scheitern. Viele Grüne, die überlegt haben, der SPÖ ihre Stimme zu schenken, hätten nämlich aus taktischen Gründen die ÖVP gewählt, um FPÖ-Vorarlberg-Chef Christoph Bitschi als Landeshauptmann zu verhindern, so Leitner. Schlussendlich landete die SPÖ mit 9,08 Prozent (- 0,38 %) nur auf den vierten Platz hinter den Grünen, die 12,28 Prozent erzielten (- 6,61 %). Der Versuch der SPÖ den Grünen Wähler abspenstig zu machen, hat die roten Genossen bereits bei der Nationalratswahl nicht vom Fleck gebracht. Dass sich die SPÖ in Vorarlberg erneut darauf konzentrierte, einer relativ kleinen Partei Stimmen abzugraben, zeigt, dass die Sozialdemokratie den Abstieg von einer einst staatstragenden Partei hin zu einer Kleinpartei geistig bereits vollzogen hat. Im Ländle muss die SPÖ nun fürchten, bald auch noch von den NEOS überholt zu werden, die mit 8,8 Prozent (+0,29 %) als fünfte Partei im Landtag vertreten sind.
FPÖ verdoppelte Stimmen
Interessant ist auch das Abschneiden der FPÖ. Freilich ist es unangebracht zu meckern, wenn eine Partei ihren Stimmenanteil verdoppelt. Manöverkritik ist jedoch immer angebracht. Aus Sicht vieler Kritiker tritt die Landespartei unter Führung von Christoph Bitschi zu zurückhaltend auf. Die Vorarlberger kämpfen mit den selben Problemen wie der Rest Österreichs. Diese Schieflagen hätte man um einiges deutlicher ansprechen können. Freilich hätte man dadurch Wallner nicht vom ersten Platz verdrängen können. In der Politik geht es aber nicht nur um Wählerstimmenmaximierung, sondern auch darum sich eine hohe Glaubwürdigkeit zu erarbeiten und den Rahmen des Sagbaren zu erweitern, um den eigenen Handlungsspiel für die Zukunft zu vergrößern.
Halbe Kraft voraus
Leider ist dieses zurückhaltende Agieren auch bei anderen Landesparteien und Stadtgruppen zu beobachten. Anstatt die eigenen Themen unermüdlich zu spielen und die eigenen Segel richtig in den Wind zu setzen, begnügt man sich damit bequem und sicher auf der Erfolgswelle der Kickl-FPÖ mitzureiten. Wenn diese Taktik aufgeht, schreibt man sich die Erfolge selbst zu. Wenn die Ergebnisse nicht passen, macht man den Kurs der Bundespartei dafür verantwortlich. Die Vorgangsweise ist zwar gemütlich, sie verhindert jedoch, dass die Partei ihre gesamte Kraft entfalten kann.
Vielleicht tue ich Bitschi jedoch unrecht. Vielleicht bin ich zu kritisch mit ihm. Vielleicht kann ein Oberösterreicher gar nicht verstehen, was in Vorarlberg vor sich geht. Vielleicht sollte man nach einem tollen Wahlerfolg die spitze Feder mal ruhen lassen. Wahrscheinlich ist es aber auch die Aufgabe von kritischen Journalisten das Haar in der Suppe zu suchen. Sicher ist, dass man sich mit solchen Texten keine Freunde macht. Und Fakt ist, dass sich Bitschi und die von ihm geführte Landespartei in den sozialen Medien nur äußerst zurückhaltend am Nationalratswahlkampf beteiligt haben. Auffallend ist auch, dass die FPÖ-Vorarlberg im Landtagswahlkampf darauf verzichtet hat, bekannte Persönlichkeiten der Bundespartei ins Ländle einzuladen.
Selbstverständnis
Vielleicht hat diese Vorgangsweise jedoch weniger mit Parteipolitik zu tun als von mir vermutet. Der Grund für das Abkapseln könnte auch im Selbstverständnis einiger Gsiberger liegen, die der Meinung sind, dass der Arlberg aus gutem Grund das alemannische Vorarlberg vom Rest Österreichs trennt. Apropos mutmaßliches Selbstverständnis: Gestern Abend soll Bitschi – laut „Die Presse“ – bei der freiheitlichen Wahlfeier seiner Frau zugerufen haben:
„In fünf Jahren mache ich dich zur Frau Landeshauptmann“
Bitschi wirkt auf mich wie ein junger, sympathischer Typ, der vor der Kamera eine gute Figur macht – solche Menschen sind sicher ein Gewinn für eine jede Partei. Man kann nur hoffen, dass er sich auch für unser Volk und unsere Heimat ambitionierte politische Ziele gesteckt hat und nicht nur Politik macht, damit seine Gattin in fünf Jahren „Frau Landeshauptmann“ genannt wird.