Wenn ich mich im Alltag ärgern muss, denke ich manchmal – viel zu selten – an die Rede von David Foster Wallace, die mir mal ein Freund geschickt hat. Der Autor setzte sich 2005 in einer Abschlussrede vor Absolventen des Kenyon College mit dem Thema „Denken lernen“ auseinander und plädierte für mehr Empathie.
Ein Sonntagsstück von Karl Sternau
Besonders das Beispiel des Straßenverkehrs, in dem sich bestimmt jeder schon mal aufgeregt hat, blieb mir in Erinnerung. Es wäre möglich, dass der Wagen, „der mich gerade ausgebremst hat, von einem Fahrer gefahren wird, der ein kleines krankes Kind hinter sich sitzen hat, mit dem er so schnell wie möglich ins Krankenhaus rast und der demnach in weit größerer und legitimerer Eile ist als ich – faktisch bin ich ihm im Weg“. Eine unwahrscheinliche Möglichkeit, aber eine, die erstmal keiner auf dem Schirm hat. Der Mensch sieht gerne nur seine eigene Perspektive und hinterfragt gar nicht, was den anderen bewegen kann.
Die Rede, die mittlerweile Pflichtlektüre für alle amerikanischen Abschlussklassen ist, kann jedem von uns einen Denkanstoß liefern. Hier kann sie auf Deutsch und Englisch nachgelesen werden: https://www.wfelix.org/wallace.html
Das Leben von David Foster Wallace, das von schweren Depressionen sowie Tabletten- und Alkoholsucht geprägt war, endete tragisch mit Selbstmord. Über den Autor und sein weiteres Werk kann man hier mehr von Nils Wegner erfahren: https://sezession.de/wp-content/uploads/2023/11/Sez117_Wegner.pdf
Über die Sonntagsstücke
Karl Sternau präsentiert jeden Sonntag ein mehr oder weniger geistiges Fundstück aus der weiten Welt des Internets. Sollte ein hier geteilter Link nicht mehr funktionieren, waren Sie mit Ihrer Lektüre zu spät dran. Über Rückmeldungen zu den Sonntagsstücken sowie Ideen für weitere Sonntagsstücke freuen wir uns: [email protected]