Obwohl der Unmut der Unternehmer in Österreich wächst, ging die ÖVP mit ihrem Wirtschaftsbund erneut eindeutig als Wahlsieger hervor. So wie bei der Landwirtschaftskammerwahl liegen auch hier die Gründe zumindest teilweise an dem fragwürdigen Wahlsystem. (Das Wahlergebnis finden Sie am Ende des Textes)
Ein Kommentar von Gerwin Lovrecki
Im Gegensatz zu klassischen politischen Wahlen ist das Wahlsystem der Wirtschaftskammer jedoch gänzlich anderes aufgebaut. Das geht sogar so weit, dass fast niemand die Komplexität und Schichtenvielfalt der WKO-Wahlen wirklich zu durchschauen vermag.
Ungleiche Gewichtung der Stimmen
So gewichtet zum Beispiel die Wirtschaftskammer die Stimmen ihrer Mitglieder ungleich. Während die Sparte „Gewerbe und Handwerk“ mit fast 330.000 Mitgliedern fast die Hälfte aller WKO-Mitglieder repräsentiert, besitzt die Sparte „Bank und Versicherung“ mit nur 818 Mitgliedern trotzdem fast gleich viele Sitze im WKO-Parlament. Die Wirtschaftskammer begründet das mit der „unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedeutung“ der jeweiligen Sparten. Also auf gut Deutsch: Die WKO gewichtet völlig willkürlich die Schwere der einzelnen Stimmen.
Wahl findet teils gar nicht erst statt
In den kleinsten WKO-Sparten finden meist gar keine Wahlen statt. Da die einzelnen Fachgruppen zum Beispiel, bei „Bank und Versicherung“ oder „Industrie“ sehr klein sind, stehen die jeweiligen Parlamentsvertreter schon vor der Wahl fest.
Fehlende Teilnehmer
Direkt wählen dürfen Kammermitglieder allerdings sowieso nur bei der „Urwahl“. Das ist die Wahl der Branchenvertreter in der eigenen Fachgruppe auf Landesebene. Da es aber bis zu 100 Fachgruppen gibt, schaffen es bis auf ÖVP und manchmal noch der SPÖ alle anderen Fraktion nicht die notwendige Anzahl an Kandidaten zu finden. Womit sich die Wahl ebenfalls erübrigt hat.
Indirekte Wahl
Nach der Urwahl hat es sich dann auch schon mit dem direkten Wählen erledigt. Denn alle weitere Instanzen auf Landes- oder Bundesebene werden nur noch indirekt von den „Urgewählten“ bestimmt. Damit haben die normalen Kammermitglieder kein weiteres Sagen in der Gesamtstruktur der WKO.
Undemokratisch zu Nutzen der ÖVP
Wie man sieht, ist das ganze System sehr undurchsichtig aufgebaut. Das nützt der ÖVP, die seit Jahrzehnten die gesamte Wirtschaftskammer und deren Kandidaten dominiert. Dabei gehen all jene unter, die mit der schwarzen Wirtschaftspolitik nicht einverstanden sind. Die Hauptschuld an der schwarzen Dominanz innerhalb der WKO ist also weniger den Wählern und mehr dem problematischen Wahlsystem zuzuschreiben.
Das WKO-Wahlergebnis
Bei der WKO-Urwahl blieb der Wirtschaftsbund (WB) der ÖVP mit 61,3 Prozent zwar die mit Abstand stärkste Kraft, musste jedoch einen empfindlichen Rückgang von 7,9 Prozentpunkten gegenüber 2020 hinnehmen. Die „Freiheitliche Wirtschaft“ (FW) konnte hingegen stark zulegen und erreichte 13,6 Prozent – ein Plus von 7,3 Prozentpunkten.
Der „Sozialdemokratische Wirtschaftsverband“ (SWV) kam auf 9,7 Prozent und verlor 1,1 Prozentpunkte. Die „Grüne Wirtschaft“ (GW) landete bei 8,4 Prozent, ebenfalls mit einem Rückgang um 1,1 Prozentpunkte. Die UNOS der NEOS konnte mit 5,3 Prozent leicht zulegen (+2,6 Prozentpunkte). Kleinere Listen wie die Fachliste der gewerblichen Wirtschaft Österreich (FGWÖ) und „Sonstige“ spielten mit 0,4 bzw. 1,3 Prozent nur eine untergeordnete Rolle.
Besonders auffällig ist die stark gesunkene Wahlbeteiligung. Nur noch 26,5 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab – ein drastischer Rückgang gegenüber 2020, als noch 33,7 Prozent zur Wahl gingen. Die geringe Beteiligung wirft Fragen nach der politischen Mobilisierung und dem Vertrauen in die Wirtschaftskammerwahl auf.
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