Der CDU-Abgeordnete Sepp Müller fiel bei der Eröffnungsrede des neuen Alterspräsidenten Gregor Gysi (LINKE) im Bundestag durch die Lektüre eines Buches auf. Die Aktion wurde als Protest gefeiert. Tatsächlich war es der übliche Gratismut eines Unionspolitikers.
Ein Kommentar von Karl Sternau
Sepp Müller, der sein Direktmandat im Bundestagswahlkreis „Anhalt – Dessau – Wittenberg“ an die AfD verlor, ist eher ein Hinterbänkler im Bundestag. Bekannt wurde er dadurch, dass er mit seinem CSU-Kollegen Wolfgang Stefinger liiert ist. Die beiden sind damit das erste offen schwule Paar im Bundestag.
Buch von Hubertus Knabe
Während der Eröffnungsrede des neuen Alterspräsidenten Gysi las Müller demonstrativ im Buch „Die Täter sind unter uns“, welches sich kritisch mit dem Schönreden des SED-Staates DDR auseinandersetzt. Der Autor des Buches, das ein eigenes Kapitel zu Gysi und der Stasi enthält, ist Hubertus Knabe. Knabe nannte es auf X einen „Treppenwitz der Geschichte“, dass ausgerechnet Gysi den Bundestag eröffnen dürfe. Inhaltlich ist hier auf jeden Fall zuzustimmen. Es ist nur ärgerlich, dass jemand wie Müller das zwar kritisiert, aber wie bei der CDU üblich nichts dagegen tut.
Alterspräsidentenregel wurde wegen AfD erst 2017 geändert
Erst 2017 wurde die Regel für den Alterspräsidenten geändert. Seit 1949 war das Amt immer für den lebensältesten Abgeordneten reserviert. Um den AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg (Jahrgang 1940) zu verhindern, wurde damals die Reglung des dienstältesten Parlamentariers von CDU und SPD eingeführt. Das Amt fiel so an Hermann Otto Solms (FDP) und im nächsten Bundestag an Wolfgang Schäuble (CDU).
Die AfD wollte diese Regel im Vorfeld des neuen Bundestags wieder zurücksetzen, womit das Amt nicht an Gregor Gysi (Jahrgang 1948), sondern an Alexander Gauland (Jahrgang 1941) gefallen wäre. Hier hat ein Sepp Müller natürlich nicht mitgestimmt. Das hätte nämlich wirklich Mut erfordert.
CDU-Stadtverband zeigt was wahrer Protest ist
Im Gegensatz zu Müller zeigt der Stadtverband Kühlungsborn im Landkreis Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) wie echter Protest aussieht: Fast der gesamte Verband trat zurück und auch aus der Union aus. Als Begründung nannten die Lokalpolitiker eine „Reihe tiefgreifender politischer Entwicklungen, die wir nicht mehr mittragen können“, darunter vor allem die Aushebung der Schuldenbremse.