Trump entlässt den zionistischen Hardliner Mike Waltz. Sein Verteidigungsminister sagt einen Besuch in Israel ab. Was ist los zwischen Trump und Netanjahu?
Ein Kommentar von Johannes Konstantin Poensgen
Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Kaum irgendwo gilt dies so sehr wie in der Nahostpolitik. Seit Jahrzehnten bestimmen dort leere Gesten die Tagesnachrichten, während die israelische Siedlungspolitik Fakten schafft, ohne jedoch die Palästinenser loswerden zu können.
Kaum irgendwo gilt dies so sehr wie bei Donald Trump, dem Showbiz-Milliardär und Immobilienmogul, der es nun zum zweiten Mal ins Weiße Haus geschafft hat. Einem Mann, der – was immer man sonst von ihm halten mag – die Aufmerksamkeitsökonomie beherrscht wie kein Zweiter.
Nirgendwo gilt dies so sehr wie bei Trumps Nahostpolitik. Wir werden also abwarten müssen, was aus den jüngsten Verwerfungen zwischen Trump und Netanjahu werden wird.
Wer ist Koch und wer ist Kellner?
Im Januar schickte Trump bereits seinen Sondergesandten Steve Witkoff nach Tel Aviv, um Netanjahu zur Annahme eines Waffenstillstandes zu drängen. Angeblich beraumte Witkoff das Treffen bewusst während der Sabbatruhe an, um dem israelischen Premier zu zeigen, wer das Sagen hat. Denn das ist ja das Problem: Wer in der israelisch-amerikanischen Beziehung Koch und wer Kellner ist, war nie ganz klar und ist sehr situationsabhängig. Später verkündete Trump im Beisein Netanjahus seinen berüchtigt gewordenen Riviera-Plan, der vorsieht, sämtliche Palästinenser aus dem Gazastreifen zwangsumzusiedeln und das Land für ein Immobilienprojekt zu verwenden.
Bei Entlassungen wird es ernst
Bei dem jetzigen Zerwürfnis handelt es sich aber nicht um reine Show, wie manche meinen. Politik ist Personalpolitik, und wenn der nationale Sicherheitsberater Mike Waltz wegen unautorisierter Zusammenarbeit mit Netanjahu gefeuert wird, wie eine Quelle der Washington Post behauptet, dann ist die Sache ernst. Bei der unautorisierten Zusammenarbeit soll es um nicht weniger gegangen sein als geplante Luftschläge gegen iranische Kernanlagen.
Wichtig: Netanjahu ist innenpolitisch angeschlagen
Bei all dem darf ein wichtiges Detail nicht übersehen werden: Die meisten der Berichte über schlechte Beziehungen zwischen Trump und Netanjahu stammen aus Israel. Oft sind die Originalberichte auf Hebräisch, also für den innerisraelischen Diskurs, verfasst. Der Tenor dieser Berichte ist, dass Netanjahu für seine Politik keinen Rückhalt mehr bei Trump habe. Man darf nicht vergessen, dass Netanjahu innenpolitisch schwer angeschlagen ist. Es stehen erhebliche Korruptionsvorwürfe gegen ihn im Raum. Die Jahre vor dem jetzigen Gazakrieg waren in Israel von mehreren Regierungskrisen und Neuwahlen geprägt. Netanjahu ist überhaupt nur aufgrund des Krieges noch im Amt. Über vier Jahrzehnte hat er Israels Politik dominiert wie kein Politiker vor ihm. Seine erste Ministerpräsidentschaft trat er im Jahr 1996 an. Doch er hat sich auch viele Feinde gemacht und ist nun ein alter Mann, der sich an die Macht klammert, um dem Gefängnis zu entgehen.
Dreht Trump den Spieß um?
Normalerweise kann sich eine israelische Regierung auf starke Interessenvertreter in Washington verlassen. Doch diesmal könnte es sein, dass Trump den Spieß umdreht. Netanjahu ist innenpolitisch angeschlagen und auch unter amerikanischen Juden hochgradig umstritten. Der liberale Jude Thomas L. Friedman veröffentlichte jüngst in der New York Times ein panegyrisches Loblied auf Trumps Konfrontationskurs gegenüber dem amtierenden israelischen Ministerpräsidenten. Überschrift:
„This Israeli Government Is Not Our Ally“
(„Diese israelische Regierung ist nicht unser Verbündeter“)
Dass Trump generell die israelisch-amerikanische „special relationship“ kappen wird, das dürfte unwahrscheinlich sein. Doch es könnte passieren, dass diesmal ein amerikanischer Regierungschef sich die innerisraelischen Zerwürfnisse zunutze macht, um seinen Willen zu bekommen. Die nächsten Wochen werden es zeigen.