In der Europäischen Union soll unsere Zukunft liegen. Und Brüssel ist die Hauptstadt dieser unglücklichen Union. Vielleicht ist es schicksalhaft, dass sich genau hier die gesellschaftlichen und politischen Bruchlinien des Kontinents besonders deutlich zeigen.
Ein Lokalaugenschein von Steffen Richter
Brüssel: Brutstätte der EU und des islamischen Terrors
Auf der einen Seite ist dort die luxuriöse Welt von Politikern und Mitarbeitern der EU-Institutionen und des Nato-Hauptquartiers. Auf der anderen finden sich verarmte, schmutzige Stadtteile mit hoher Arbeitslosigkeit und massivem Anteil Fremder. Brüssel steht als Hauptsitz der EU sinnbildlich für die pervertierte Vision vom gemeinsamen Europa. Nach den Terrorangriffen von Paris und Brüssel ist die Stadt zudem als Brutstätte des islamischen Terrors bekannt geworden.
Das EU-Parlament: Renovieren oder gleich abreißen?
Am Bahnhof muss ich mich durch eine Traube von Schwarzen drängen, die gemütlich ihre Joints rauchen. Vereinzelt patrouillieren Soldaten. Sie sind mit Gewehren bewaffnet und sollen die Reisenden vor islamistischem Terror schützen. Meine erste Station in dieser Stadt der Widersprüche ist das Europäische Parlament (EP) im Europaviertel. Anders als Kommission oder Rat werden die Vertreter hier direkt durch die Bürger gewählt — es ist daher so etwas wie das demokratische Feigenblatt der Union — und verstößt mit der degressiven Proportionalität dennoch gegen einen wichtigen Grundsatz demokratischer Wahlen. Ganz so sanft, wie Hans Magnus Enzensberger es formulierte, wirkt dieses Monster hier nicht. Aus dem historischen Quartier Leopold wurden ganze Straßenzüge herausgebrochen, um die Neubauten der Institutionen zu errichten. Brutal und deplatziert wirkt das Parlamentsgebäude — wie auch die anderen hingeklotzten Komplexe der EU – inmitten der Häuser aus dem 19. Jahrhundert. 1993 wurde es eröffnet und steht auf Grund baulicher Mängel schon jetzt vor der gleichen Frage wie die EU selbst: renovieren oder gleich abreißen und neu bauen?
Kameras für die Sicherheit der Eurokraten
Um die Sicherheit der Eurokraten — wie die Mitarbeiter der Institutionen halb spöttisch genannt werden — zu erhöhen, sind rund um das Parlamentsgebäude Kameras installiert. Ganz wohl scheint man sich also in der Realität nicht zu fühlen, die man selbst mitgeschaffen hat. Mit dem Zuzug der vielen Tausend Mitarbeiter der EU-Institutionen seien das Preisniveau und die Mieten gestiegen, erzählt mir eine Frau am Obststand zwischen Äpfeln und Birnen. Das hatte in der Bevölkerung einen Wohlstandsverlust zur Folge.
Multikriminelle Gesellschaft
„Vor allem die arabische Bevölkerung scheint die Mitarbeiter von Parlament, Kommission und Co. als wandelnde Geldautomaten zu betrachten, deren Autos man aufbrechen oder die man ausrauben kann“, klagt Stefan, der im Europäischen Parlament arbeitet und trotz allem seine Zukunft in der Stadt sieht. Tatsächlich kommt es immer wieder zu Übergriffen. Einer etwas älteren Studie aus dem Jahr 2010 zufolge belegt Brüssel mit 11,2 Diebstählen pro 1.000 Einwohner sogar den ersten Platz in Europa.
Hier eine schicke Einkaufsmeile, dann eine Gegend, die nicht mehr nach Europa aussieht
Auch das Auto seiner Freundin sei schon mal aufgebrochen worden, erzählt mir Stefan und weiter:
„Sowas bringt man hier gar nicht zur Anzeige. Allein der Ärger auf der Wache und der Umstand, dass man hier nur Französisch oder Niederländisch spricht, hält einen davon ab. Und bringen tut es eh nichts.“ Die offiziellen Zahlen hält er daher für deutlich zu gering. Im Europaviertel rund um das Parlament sieht man von den vielen Nord- und Schwarzafrikanern jedoch wenig. Wo die also seien, frage ich? „Dazu braucht man nur ein paar Meter zu gehen. Das ist ja eine der eigenartigen Seiten von Brüssel. Hier eine schicke Einkaufsmeile und in der nächsten Straße schon kann man nicht mehr erkennen, dass man sich in Europa befindet. Besonders krass wird es zum Beispiel in Molenbeek“, beschreibt Stefan. Das Viertel ist seit den Terroranschlägen von Paris und Brüssel in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt. Einige der Attentäter waren von hier.
Spaziergang durch Molenbeek
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