Der Fall Krah geht in die nächste Runde (die wievielte eigentlich?). Die Aufregung wird immer größer. Nur ein älterer Herr lehnt sich entspannt zurück. Er genießt das mutmaßlich von ihm konzipierte Tanzprojekt mit dem Titel „Teile und Herrsche“. Der Reihe nach im Staccato:
Ein Kommentar von Michael Scharfmüller
Montagvormittag wird AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah aus der AfD-EU-Delegation ausgeschlossen. Hier ein „Info-DIREKT Live-Podcast“ dazu: Was ist mit der AfD los? Schlechter EU-Wahlkampf & Krah-Ausschluss
Der erste, der dazu öffentlich Stellung nimmt und damit seine Sichtweise darlegen kann, ist Krah.
Kurz darauf geben das blaue Führungsduo Weidel und Chrupalla gemeinsam mit dem designierten Leiter der AfD-EU-Delegation René Aust eine Pressekonferenz. Dabei verabsäumen sie, den eigenen Wählern und Funktionären die Vorgangsweise im Fall Krah transparent darzustellen. Durch das Witzeln über Krahs erfolgreiche Videos gießen die drei sogar noch Öl ins Feuer. Auf kritische Fragen anwesender Journalisten erklärt Aust nur, dass er überzeugt davon sei, dass seine Delegation Teil der „Identität & Demokratie“ (ID) werde. Bei vielen verfestigte sich durch diese Pressekonferenz der Eindruck, dass Krah nur rausgeschmissen wurde, um Le Pen positiv zu stimmen. Aus Sicht von Weidel und Chrupalla dürfte die Pressekonferenz trotzdem ein Erfolg gewesen sein. Schließlich konnten sie darlegen, dass für die Vorgänge innerhalb der AfD-Delegation ausschließlich René Aust verantwortlich sei.
Der Unmut wächst
Das Unverständnis in der Partei wächst. Zahlreiche AfD-Politiker, ganze Landesverbände und Teile der patriotischen Zivilgesellschaft sowie einige alternative Medien erklären sich mit Krah solidarisch. Viele von ihnen fühlen sich von der AfD-Spitze und insbesondere von Aust verraten und warnen vor einer Melonisierung der AfD.
In den sozialen Medien versucht ein angeblicher Mitarbeiter von Krah die gesamte Wut des eigenen Lagers auf Aust zu lenken, ganz unverblümt schreibt er davon wie man Austs „psychologischen Schwachstellen“ am besten treffen könne.
Sachlich, unaufgeregt und ohne sich zu distanzieren, erzählt Krah in einem Interview im Cicero, geführt von Mathias Brodkorb, wie er die Dinge sieht.
Derweil kocht die Wut auf Aust besonders auf der Plattform „X“ richtig hoch. Info-DIREKT veröffentlichte diesen viel beachteten Text: Wenn das passiert, steht René Aust alleine da!
Aust kündigt eine Stellungnahme an und postet dazu ein nicht aktuelles Foto, das ihn gemeinsam mit Krah und Höcke zeigt. Die Spannung steigt.
Zwischenzeitlich wird bekannt, dass Le Pen die Aufnahme der AfD in die ID-Fraktion trotz des Ausschlusses Krahs ablehnt. Für alle, die sich nur etwas mit Politik beschäftigen, ist das keine Überraschung. Überraschend ist eher, dass Le Pen zuvor nicht probiert hat der AfD noch mehr abzuverlangen.
Alles wartet nun auf die Stellungnahme von Aust. Jeder will wissen, wie er die Dinge sieht und was er nun vorhat. Anstatt sich zu erklären, zieht der designierte Delegationsleiter seine angekündigte Stellungnahme mit folgenden Worten zurück:
„Ich wurde darum gebeten, mich nicht am öffentlichen Schauspiel zu beteiligen. Wir brauchen als Partei nicht noch mehr Spektakel. „
Die Wogen gehen erneut hoch. Viele fühlen sich von Aust in ihrer Kritik nicht verstanden, weil Aust diese als „Schauspiel“ und „Spektakel“ abtut. Als Österreicher erinnert man sich an den „Gemurkse und Gefurze“-Sager von Werner Kogler (Grüne) im Fall Schilling. Dabei ist Austs Reaktion menschlich sogar nachvollziehbar. Die Kritik an seiner Person hat längst den Boden des Sachlichen verlassen. Gegen Aust Stimmung zu machen, ist zu einem „Internet-Game“ geworden mit allem was dazu gehört.
Freilich kann man sich über die gehässige Internetkultur beklagen. Wie immer im Leben ist es jedoch besser, wenn man nicht klagt, sondern kämpft. Dazu ist es jedoch notwendig zu kommunizieren. Den Kopf in den Sand zu stecken, bringt nichts.
Alle schweigen, Krah erklärt
Während Aust schweigt, gibt Krah sein nächstes Interview. Dieses Mal dem TV-Sender AUF1. Im Interview zeigte er sich sachlich und humorvoll. Für die aufgebrachte Stimmung in den sozialen Medien hat er Verständnis, im Ton solle man sich jedoch mäßigen. Über jenen Mann, der seinen Ausschluss verkündete, sagt er:
„René Aust ist ein ehrenwerter Mann.“
Literaturkenner – zu denen ich nicht zähle – meinen, dass es sich dabei um ein Zitat aus einem Werk von Shakespeare handle, das nicht unbedingt als Kompliment gedacht sei.
Weidel verhandelt
In gewohnt unprofessioneller Weise äußert sich die Parteispitze zum eskalierenden Streit nicht. Stattdessen schaltet sich Weidel in die Bemühungen um eine Fraktionsbeteiligung der AfD ein. Der „Welt“ erklärt sie:
„Wir werden weitere Sondierungen betreiben und ausloten, welche Optionen es für alternative Zusammenschlüsse gibt.“
Während in der AfD wieder einmal alle wie ein hahnloser Hühnerhaufen durcheinanderlaufen, lehnt ein älterer Herr noch immer genüsslich in seinem Ohrensessel. Er ist ein Tanz- und Musikliebhaber und genießt die neue Interpretation des alten Stückes „Teile und Herrsche“. Vielleicht hofft er sogar darauf, schon bald eine zeitgenössische Götterdämmerung irgendwo zwischen Berlin, Dresden, Erfurt und Brüssel miterleben zu können, um danach selbst ins Scheinwerferlicht treten zu können.
Höcke meldet sich zu Wort
Neuer Akt. Neuer Aufzug. Höcke meldet sich zu Wort. Aust gilt als Vertrauter von Höcke. Viele haben schon darauf gewartet, ja es sogar eingefordert, dass er sich endlich zu Wort meldet. Jetzt ist es soweit: In einer schriftlichen Stellungnahme kritisieren die beiden Landessprecher der AfD-Thüringen Björn Höcke und Stefan Möller Krah scharf:
„Die durch einen Unterstützer von Maximilian Krah initiierte, zutiefst ehrenrührige Kampagne gegen unseren Thüringer Parteifreund und Kollegen René Aust verurteilen wir auf das Schärfste.“
Zudem erklären die beiden:
„René Aust vertritt in Brüssel einen dezidiert deutschen Standpunkt und nimmt eine deutsche geostrategische Position ein. Er verhandelt nicht als Bittsteller mit den Delegationen der anderen Nationen.“
Kameradschaftlich ist es sicher ein feiner Zug der beiden AfD-Thüringen-Sprecher, sich hinter Aust zu stellen. Es stellt sich jedoch die Frage, weshalb sich Aust nicht selbst zu Wort meldet. Als Delegationsleiter sollte er dazu auch in schwierigen Situationen in der Lage sein.
Kritik äußern die beiden Thüringer auch auch an Weidel und Chrupalla:
„Enttäuschend ist für uns auch, dass aus den Reihen der Bundesspitze drei Tage nach Beginn der Kampagne nicht die Gelegenheit genutzt wurde, dem Vorwurf des „Verrats“ zu widersprechen.“
Damit haben Höcke und Möller natürlich recht. Es wäre allerdings – besonders in diesem Fall – eine Überraschung gewesen, wenn die Krisenkommunikation der AfD-Spitze erstmals funktioniert hätte. In ihrem Schreiben fordern die beiden eine Rückkehr zur „Sachlichkeit und Ehrlichkeit“. Die Frage ist allerdings, wie das gelingen kann, wenn Aust keine Argumente liefert. Als Außenstehender weiß man ja nicht einmal um welche Sache es in diesem Streit wirklich geht. Dass Krah aus der Delegation geworfen wurde, damit es mit Le Pen klappt, dürfte – wenn man ehrlich ist – auch nicht die ganze Wahrheit sein.
Wem nützt der ganze Wahnsinn?
Und so nähern wir uns schön langsam des Pudels Kern und der Frage, wem dieses ganze Schmierentheater nutzen könnte. Und da fällt der Blick auf jenen Akteur, der sich die ganze Zeit sehr ruhig verhalten hat – und das obwohl er mutmaßlich er war, der die Verhältnisse innerhalb der AfD zum Tanzen brachte. Die Rede ist vom Musikwissenschaftler und frisch gewählten EU-Abgeordneten Hans Neuhoff.
Krah meinte im Interview mit AUF1, dass es Neuhoff gewesen sei, der seinen Ausschluss in der Delegationssitzung gefordert habe. Das ist durchaus vorstellbar, schließlich war es auch Neuhoff, der gemeinsam mit dem Chef der AfD-Nordrhein-Westfalen, Martin Vincentz, ein Parteiausschlussverfahren gegen den Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich angestrengt hat.
Wenn man all das bedenkt und sieht wie situationselastisch sich Chrupalla in den letzten Tagen verhalten hat, ergibt sich ein unschönes Bild, das weder mit Aust noch mit der EU, aber viel mit dem nächsten Bundesparteitag zu tun haben könnte. Dort wird nämlich Ende Juni ein neuer Bundesparteivorstand gewählt. Für dieses Ereignis bereiten sich die Netzwerke innerhalb der Partei derzeit vor (ein Beispiel dafür). Man sollte sich deshalb fragen, wer davon profitiert, wenn sich weltanschaulich gut aufgestellte Politiker wie Krah und Höcke öffentlich in die Haare kommen.
Der große Wunsch, der kleine Bruder der CDU zu sein
Ehrlich gesagt fehlt mir der Einblick, um diese Frage mit hoher Gewissheit richtig beantworten zu können. Klar ist jedoch, dass es auch nach der Meuthen-Ära noch zahlreiche Politiker in der AfD gibt, die Tag und Nacht davon träumen, in den Augen der CDU als regierungsfähig zu gelten. Gut möglich, dass sich der ein oder andere Landesverband deshalb bereits jetzt darum bemüht, alle als Unruhestifter wahrgenommene Parteikollegen über Bord zuwerfen. Denkbar ist jedoch auch, dass es bei den aktuellen Auseinandersetzungen gar nicht um einen politischen Richtungsstreit innerhalb der Partei geht, sondern dass einige Personen lediglich versuchen, sich und ihre Freunde in gut bezahlte Positionen zu hieven.
Es wäre schön, wenn all die Patrioten, die jetzt an der Eskalationsspirale drehen, bedenken, dass es in der AfD zahlreiche „liberal-konservativ-bürgerliche“ Netzwerker gibt, die nur darauf warten, dass sich der stabile Teil der Partei selbst zerfleischt. Damit das nicht passiert, müssen Politiker den eigenen Anhänger das Gefühl geben in Entscheidungen eingebunden zu sein. Eine Politik der verschlossenen Türen funktioniert in der AfD nicht. Kritikern immer nur zuzurufen „Ihr wisst ja nicht, was intern vorgeht“, ist auf Dauer zu wenig. Dadurch schafft man nämlich kein Verständnis, keine Nähe und kein Vertrauen und all das ist in stürmischen Zeiten wichtig.
Der Bundesparteitag der AfD findet von 28. Juni bis 30. Juni in Essen statt, bleibt zu hoffen, dass sich danach die aufgeheizte Stimmung etwas beruhigt.