Die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP stehen kurz vor dem Aus. Der Grund dafür dürfte auch an Machtkämpfen innerhalb der ÖVP liegen.
Ein Kommentar von Michael Scharfmüller
Seit längerer Zeit ringen nämlich in der ÖVP mindestens zwei Machtblöcke um die Vorherrschaft innerhalb der Partei.
ÖVP-Niederösterreich und ÖAAB
Auf der einen Seite stehen die ÖVP-Niederösterreich und der ÖAAB, also dem von August Wöginger geführten Arbeitnehmerbund. In den letzten Jahrzehnten dominierte dieses Lager die Partei, was auch anhand des Führungskaders gut zu sehen ist (Familie Pröll, Sobotka, Mikl-Leitner, Nehammer, Wöginger, …).
Wirtschaftsbund und Industriellen Vereinigung
Auf der anderen Seite hat sich rund um den Wirtschaftsflügel der ÖVP ein starkes Netzwerk innerhalb der Partei gebildet. Diesem gehören der Wirtschaftsbund (WB), der die Wirtschaftskammer (WKO) dominiert, und die Industriellen Vereinigung (IV) an.
Der Bauernbund dürfte hingegen nur mehr das fünfte Rad am Wagen sein.
Nehammer musste scheitern
Als im letzten Nationalratswahlkampf der damalige Kanzler und ÖVP-Parteichef Karl Nehammer mit seinem Anti-Kickl-Kurs seine Partei in eine Sackgasse lenkte und dann eine schallende Wahlniederlage einfuhr, dürften beim Wirtschaftsflügel bereits heimlich die Sektkorken geknallt haben. Noch in der Wahlnacht dürfte Nehammer seinen Rücktritt vorbereitet haben. Als Bundespräsident Van der Bellen aber dann nicht den blauen Wahlgewinner, sondern den schwarzen Wahlverlierer mit der Regierungsbildung beauftragte, erhielt Nehammer eine zweite Chance.
Dass Nehammer diese Chance nicht nutzen konnte, um seinen Posten zu retten, liegt sicher nicht nur an der Unfähigkeit von ihm und SPÖ-Chef Andreas Babler, sondern auch am Wirtschaftsflügel seiner Partei. In zahlreichen Medien kann nachgelesen werden, wie man Nehammer in den Verhandlungen politisch verhungern ließ.
Stocker als Platzhalter
Als Nehammer sein Scheitern eingestehen musste, war die Zeit für eine Machtübernahme des Wirtschaftsflügels jedoch noch immer nicht reif. Deshalb ließ man noch einmal einen Niederösterreicher den Vortritt. Sein Name: Christian Stocker. Er durfte nun sein Glück in Verhandlungen mit Herbert Kickl probieren.
Nach ersten Verhandlungserfolgen begannen Teile der ÖVP Sand ins Getriebe der Koalitionsgespräche zu streuen. Die gut angelaufenen Verhandlungen gerieten ins Stocken. Viele der Verhandler wussten nicht warum. Letzte Woche wurde klar, wer sich innerhalb der ÖVP quer gelegt hatte: der Wirtschaftsflügel.
So trat plötzlich Wirtschaftskammer-Präsident und ÖVP-Multifunktionär Harald Mahrer mit absurden Ansichten und Forderungen an die Öffentlichkeit. Kurz danach tat es ihm Wirtschaftskammer-Sekretär und ÖVP-Nationalratsabgeordneter Wolfgang Hattmannsdorfer in einem Ö1-Interview gleich. Zur selben Zeit spielte mutmaßlich die ÖVP das blau-schwarze Regierungsverhandlungsprotokoll an linke NGOs und etablierte Medien. Diese zitierten dann unausgewogenen und teilweise falsch daraus. Hinter all dem steckt ein feiger Plan, wie hier nachzulesen ist: www.info-direkt.eu/oesterreich/feiger-plan-so-torpediert-die-oevp-die-koalitionsgespraeche
Schwarze Machtkämpfe am Rücken Österreichs
Wenn der ÖVP-Wirtschaftsflügel die Koalitionsgespräche mit der FPÖ bald erfolgreich torpediert hat, hat Stocker seine Schuldigkeit getan und muss den Platz an der Spitze der Volkspartei räumen. Die ÖVP-Niederösterreich und der ÖAAB haben dann einen guten Teil ihrer Macht eingebüßt. Vielleicht hören dann auch Harald Mahrer, ÖVP-Zukunftshoffnung Wolfgang Hattmannsdorfer und Co. endlich auf, am Rücken Österreichs parteiinterne Machtkämpfe auszutragen. Die Rechnung für dieses miese Spiel bekommt die Volkspartei ziemlich sicher vom Wähler ausgestellt – die nächste Nationalratswahl lässt ziemlich sicher nicht mehr lange auf sich warten.