Die „Democrazia Cristiana“ (DC) war von 1945 bis 1993 die mächtigste Partei Italiens. In dieser Zeit gab es 50 verschiedene Regierungen – an allen war die DC maßgeblich beteiligt. Obwohl die Partei bei der Parlamentswahl 1992 noch immer einen Stimmenanteil von 29,7 Prozent hatte, löste sie sich 1994 offiziell auf.
Ein Kommentar von Christoph Grubbinder aus dem Magazin Info-DIREKT „Achtung: Mogelpackung“
Was zu Beginn ein Mitgrund für den Erfolg war, beschleunigte nach zahlreichen Skandalen den Untergang der Partei: Der sehr breit aufgestellten DC fehlte eine gemeinsame ideologische Klammer, die die unterschiedlichen Gruppen, Personen und Interessen zusammenhielt.
Die Skandale, in die die DC verwickelt war, erschütterten ganz Italien und markierten schließlich den Übergang von der Ersten zur Zweiten Republik. Neben den Verbindungen, die Teile der Partei zur Mafia gepflegt haben sollen, waren es zwei große Skandale, die die Christdemokraten zu Fall brachten.
Geheime Freimaurer-Loge P2
Den ersten schweren Dämpfer erhielten sie in den 1980er-Jahren. In dieser Zeit wurde der Freimaurerloge P2 (Propaganda Due) eine erhebliche politische Einflussnahme auf Medien, Militär und Geheimdienste nachgewiesen. Mittendrin statt nur dabei: zahlreiche DC-Politiker.
Tangentopoli – „Bestechungshausen“
Der nächste große Skandal folgte in den frühen 1990er-Jahren. Damals brachte die Mailänder Staatsanwaltschaft ein riesiges Netz aus Bestechung, Ämterkauf und illegaler Parteienfinanzierung ans Licht. Zahlreiche Politiker, Unternehmer und Beamte waren verwickelt, darunter auch führende Persönlichkeiten der DC.
Die Partei hatte über Jahrzehnte hinweg mithilfe staatlicher Aufträge, Baugenehmigungen und öffentlicher Mittel ein inoffizielles Finanzierungssystem aufgebaut. Der Begriff „Tangentopoli“, zu Deutsch „Stadt der Schmiergeldzahlungen“ oder auch „Bestechungshausen“, steht bis heute sinnbildlich für dieses korrupte System.
Operation „Saubere Hände“
Dieser Skandal hatte zur Folge, dass die Justiz mit der Operation „Mani Pulite“ („Saubere Hände“) in „Bestechungshausen“ mit den Aufräumarbeiten begann. Zwischen 1992 und 1994 wurden mehr als 5.000 Personen angeklagt – darunter auch prominente Parteifunktionäre. Obwohl es auch Freisprüche gab, war der Ruf der Partei damit ruiniert.
Noch keine italienischen Verhältnisse
Dass die Schwesterparteien der „Democrazia Cristiana“ in Österreich und Deutschland bis heute an der Macht sind, wirkt im Vergleich zum italienischen Zerfall erstaunlich. Ein möglicher Grund: Die aufgedeckten Skandale betrafen nördlich der Alpen meist einzelne Politiker und nicht die Parteien als Ganzes. Hinzu kommt, dass die politischen Strukturen in Österreich und Deutschland gefestigter sind. „Staatstragende“ Parteien geraten dadurch weniger leicht ins Wanken.
Eines aber ist klar: Das Schicksal der „Democrazia Cristiana“ sollte der ÖVP sowie CDU und CSU eine Warnung sein. Wenn eines Tages Anklageschriften statt Privilegien verteilt werden, zerfällt ein aufgeblasener Machtapparat schneller, als vielen lieb ist.