Die Vorstellung, dass Abrüstung automatisch zu Frieden führe, ist in allen politischen Lagern weit verbreitet – und leider ebenso falsch. In einer Welt, die von geopolitischen Spannungen, Machtinteressen und ethnischen Konflikten geprägt ist, bedeutet Entwaffnung keine Garantie für Frieden, sondern schlichtweg ein Risiko. Wer heute bewusst auf Wehrhaftigkeit verzichtet, verliert die Fähigkeit, seine Unabhängigkeit zu schützen – und damit auch seine Freiheit.
Ein Kommentar von Christoph Wagner
Zugegeben, die Idee klingt verführerisch: Wenn alle Nationen abrüsten, werden Kriege obsolet. Keine Waffen, keine Gewalt – eine friedliche Völkergemeinschaft, vereint in den Glauben an die Macht des Wortes und des gegenseitigen Vertrauens. Doch dieser Gedanke ist nichts weiter als ein frommer Wunsch. Er ignoriert, wie internationale Politik tatsächlich funktioniert. Staaten sind keine moralischen Wesen. Sie handeln nicht aus Idealismus, sondern aus Interessen – und in letzter Konsequenz zählen da nur Macht und Durchsetzungskraft.
Ohne Stärke kein Frieden
Ein souveräner Staat, der sich freiwillig seiner geistigen und materiellen Verteidigungsfähigkeit beraubt, gibt nicht nur willfährig seine Sicherheit preis, sondern auch seine Handlungsfreiheit. Denn wer sich nicht verteidigen kann, wird nicht respektiert – weder von Rivalen noch von Partnern. Abrüstung in einer Welt, in der alle anderen aufrüsten, ist kein Beitrag zum Frieden, sondern ein gefährliches Spiel mit der eigenen Wehrlosigkeit.
Viele Regierungen setzen heute wieder mehr auf militärische Stärke, um ihren Einfluss auszudehnen. Sie tun das nicht aus Angst, sondern mit strategischem Kalkül, schließlich ist die einstige Ordnungsmacht (oder Konkurrent, je nach Sichtweise) Russland, noch auf unbestimmte Zeit in der Ukraine gebunden. Wer diesen Umstand stur mit pazifistischer Weltfremdheit begegnet, macht sich nicht zum Vorbild, sondern ganz zwangsläufig zur Zielscheibe.
Wehrhaftigkeit ist Verantwortung
Verteidigungsfähigkeit darf daher keineswegs als aggressiver Reflex, sondern muss als Ausdruck staatlicher Souveränität verstanden werden. Wehrhaftigkeit schützt nicht nur das Territorium, sondern auch die politische Ordnung und vor allen Dingen das eigene Volk und dessen über Jahrhunderte gewachsene Ideale. Nur ein starker Staat kann unabhängig agieren, Bündnisse eingehen und seinem Volk die Zukunft sichern. Wer da glaubt, man könne sich aus der Geschichte heraus moralisch immunisieren, verkennt ihre immer wiederkehrenden Muster.
Wir brauchen mehr als ein starkes Militär
Zudem ist militärische Stärke nur ein Teil einer umfassenden Sicherheitsstrategie. Wehrhaftigkeit bedeutet heute auch Cybersicherheit, Schutz kritischer Infrastruktur, Versorgungssicherheit, gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein Land, das sich verteidigen will, muss nicht nur mit Waffen, sondern mit Entschlossenheit, Fachwissen, Innovation und wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit sowie internationalen Kooperationen auf Bedrohungen reagieren können.
Abrüstung als Selbstzweck blendet all diese Dimensionen aus. Sie vertraut auf die Vernunft aller Akteure – ein Vertrauen, das die Realität immer wieder enttäuscht hat. Frieden entsteht nicht durch Wunschdenken, sondern durch Balance. Nicht durch Nachgiebigkeit, sondern durch Abschreckung. Nicht durch moralische Appelle, sondern durch glaubhafte Stärke und selbstbewusste Verteidigungsbereitschaft.
Die Lehre der Geschichte: Stärke sichert den Frieden
Frieden, Freiheit und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeiten. Sie müssen aktiv geschützt werden. Ein Staat, der die innere und äußere Sicherheit nicht mehr gewährleisten kann oder will, verliert seine Daseinsberechtigung. Es ist daher ein Gebot souveräner Staaten, wehrfähig zu bleiben – nicht, um Krieg zu führen, sondern um ihn zu verhindern. Nur Stärke schafft Respekt. Und nur Respekt schafft Raum für Diplomatie.