In Portugal ist nach den letzten Wahlen am 18. Mai noch immer keine stabile Regierung in Sicht. Denn auch in Portugal gibt es eine Brandmauer gegen Rechts.
Ein Kommentar von Johannes Konstantin Poensgen
Letzte Wochen wurde das amtliche Wahlergebnis verkündet. Die rechtspopulistische „Chega!“ schaffte es überraschend von dem dritten auf den zweiten Platz. Die Regierungsbildung wird dadurch nicht leichter. Alle möglichen Koalitionsoptionen werden nämlich von mindestens einer Partei ausgeschlossen. Die Sozialisten wollen nicht mit den Konservativen und die Konservativen haben eine Brandmauer gegen Chega! hochgezogen.
Wie unter diesem Umständen eine stabile Regierung zustande kommen soll, ist nicht klar. Klar ist nur, wer nächster Regierungschef wird: Der eben erst nach einem Skandal abgewählte Sozialdemokrat Luís Montenegro. Das ist der Chef der Konservativen. In Portugal nennen sich nämlich die Konservativen „Sozialdemokraten“: Partido Social Democrata. Was bei uns die Sozialdemokraten wären, sind dort die Sozialisten von der Partido Socialista. Diesen konservativen Sozialdemokraten Luís Montenegro hat der Präsident nun aufgefordert eine neue Regierung zu bilden. In Portugal wird der Ministerpräsident vom Präsidenten ernannt und kann vom Parlament nur zum Rücktritt gezwungen werden.
„Es reicht!“ – So denken ein Viertel der Portugiesen
Außer Konservativen und Sozialdemokraten gibt es nur noch eine größere Partei in Portugal: Chega! Die Partei existiert erst seit 2019, und der Name bedeutet übersetzt so viel wie „Genug!“ oder „Es reicht!“ Das Ausrufezeichen ist offizieller Teil des Namens. Parteivorsitzender ist André Ventura, eine schillernde Gestalt. Ventura besuchte zunächst ein Priesterseminar, promovierte dann aber im öffentlichen Recht, schrieb zwei anzügliche Romane und arbeitete einige Jahre als Fußballkommentator, bevor er in die Politik ging.
Mit 22 Prozent der Stimmen und 60 Sitzen ist Chega! die zweitstärkste Kraft im portugiesischen Parlament, knapp vor der sozialistischen Partei mit 58 Sitzen. Vorne liegt die Mitte-Rechts-Partei der Aliança Democrática (AD) von Luís Montenegro mit 91 Sitzen. 230 Sitze gibt es in der Assembleia da República, dem portugiesischen Parlament.
Offenbar haben viele Portugiesen genug von den beiden etablierten Parteien in ihrem Land. Der sozialistische Premierminister António Costa musste 2023 in einem Korruptionsskandal seinen Rücktritt einreichen. Später stellte sich heraus, dass er selbst zumindest in diesem Fall unschuldig war. Bei einem abgehörten Telefonat war er mit seinem Wirtschaftsminister António Costa Silva verwechselt worden. Costa, der ehemalige Premierminister, wurde Präsident des Europäischen Rates. Sein Land hat seitdem keine stabile Regierung.
Die Brandmauer gibt es nicht nur in Deutschland
Die Neuwahlen vom 10. März 2024 brachten keine klare Mehrheit. Die Demokratische Allianz (Aliança Democrática), ein Parteienbündnis um die sozialdemokratische Partei Portugals, erhielt die meisten Stimmen, gefolgt von den Sozialisten und dann Chega! Luís Montenegro, der Vorsitzende der portugiesischen Sozialdemokraten, schloss die Zusammenarbeit mit Chega! kategorisch aus. Nicht zuletzt auf Druck seiner europäischen Kollegen von der Europäischen Volksparte, die klar machten, dass sie eine Koalition von Aliança Democrática und Chega! nicht akzeptieren würden. Die Alternative, eine Koalition mit den Sozialisten, hatten diese wiederum ausgeschlossen. Montenegro versuchte es mit einer Minderheitsregierung. Diese scheiterte, nachdem er, selbst durch einen Korruptionsskandal angeschlagen, die Vertrauensfrage stellte und verlor. Die portugiesische Verfassung funktioniert hier ähnlich wie die deutsche. Der Skandal, in dem Montenegro seine Unschuld beteuert, dreht sich um eine von ihm gegründete Beraterfirma, deren Anteile inzwischen bei seiner Ehefrau und seinen Söhnen liegen. Diese Firma erhielt Gelder von einem Hotel- und Glücksspielunternehmen während die Regierung unter Montenegro versuchte, eine Reform der Glücksspielkonzessionen durchzusetzen.
Portugals Parteien sind festgefahren
Es gelang Montenegro bei dieser Wahl sogar, leicht an Stimmen zu gewinnen. Die großen Wahlverlierer sind die Sozialisten, die über fünf Prozentpunkte verloren haben. Doch für eine absolute Mehrheit, die in Portugal in der Vergangenheit häufiger vorkam als in Deutschland oder Österreich, reicht es nicht. Eine Zusammenarbeit zwischen den drei Blöcken wird schwierig. Der Führer der Sozialisten, Pedro Nuno Santos, will eine Regierung Montenegro nicht unterstützen, wird jedoch nach der Wahlschlappe die Parteiführung abgeben. Wie sich sein Nachfolger verhalten wird, ist unklar. Montenegro selbst hat auch vor dieser Wahl angekündigt, die Brandmauer zu Chega! aufrechtzuerhalten. Ob es dabei bleibt, ob er wieder eine Minderheitsregierung bildet, oder die Sozialisten doch ihre Meinung ändern, werden die nächsten Wochen zeigen. Für politische Stabilität sorgt die Brandmauer auch in Portugal nicht.