Der unappetitliche Sado-Maso-Skandal rund um einen österreichischen Spitzendiplomaten wirft Fragen zur Sicherheit, Integrität und Transparenz im Außenministerium auf. Die FPÖ fordert deshalb Aufklärung und will nun auch die schwarzen Netzwerke im Außenamt genau unter die Lupe nehmen.
Ein Kommentar von Joachim S. Bauer
Laut „Fass ohne Boden“ soll der Österreichs Botschafter bei der EU, Thomas Oberreiter, unter Pseudonym einen Blog mit gewaltverherrlichenden und frauenfeindlichen Inhalten betrieben haben – womöglich während seiner Dienstzeit und unter Nutzung dienstlicher Infrastruktur. Zusätzlich berichtete der „Standard“, dass sein Diensthandy ausgespäht wurde – ein Vorgang, der sicherheitsrelevante Auswirkungen für Österreich und die EU haben könnte.
Multi-Organ-Versagen der Behörden
FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz warnte deshalb am Dienstag in einer Pressekonferenz eindringlich vor den Konsequenzen: Es ginge hier nicht um persönliche Vorlieben, sondern um ein mögliches Staatsversagen, meinte er. Seine Partei fordert deshalb vollständige Aufklärung, eine unabhängige Untersuchung und prüft rechtliche Schritte. Für den zweiten FPÖ-Generalsekretär, Christian Hafenecker, ist klar, dass Oberreiter erpressbar war. Eigentlich ist es Aufgabe des Verfassungsschutzes sicherzustellen, dass erpressbare Spitzenbeamte nicht im diplomatischen Dienst arbeiten, doch auch hier ging das Multi-Organ-Versagen der Behörden wohl weiter – denn offensichtlich war der Sex-Blog schon länger Gesprächsthema im Außenamt.
FPÖ für umfassende Aufklärung
Schnedlitz und Hafenecker werfen der Ampel-Regierung vor, den Fall „aussitzen“ zu wollen. Die Versetzung Oberreiters – wirklich zurückgetreten ist er nämlich gar nicht, er wurde nur in die Zentrale nach Wien versetzt – sei kein Schlussstrich, sondern der Ausgangspunkt für eine umfassende Aufarbeitung. In einem Interview mit „oe24“ stellte Hafenecker dazu die Frage, ob man jemanden mit so einem Frauenbild auf Kolleginnen im Ministerium loslassen könne.
Hackerattacke zeigte, dass Sex-Blog aus Ministerium betrieben wurde
Hafenecker verwies in der Pressekonferenz zudem auf einen Hackerangriff auf das Außenministerium im Jahr 2019. Der Angriff verursachte laut Rechnungshof einen Schaden von mindestens 1,69 Millionen Euro. Ob persönliche Verfehlungen von Spitzenbeamten zur Sicherheitslücke führten, ist noch immer ungeklärt. Welche Firma damals mit der Behebung des Schadens vertraut wurde, ist ebenso bis heute nicht bekannt, ausgeschrieben wurde der Auftrag nämlich nicht. Damals wurden E-Mail-Adressen und Passwörter gestohlen, darunter auch die Mail-Adresse, mit der der Sado-Maso-Blog betrieben wurde. Möglicherweise waren private Aktivitäten von Spitzenbeamten Auslöser der Spitzelattacke.
Österreichische Mainstream-Medien schweigen
Internationale Medien haben über den Sex-Skandal im Außenamt ausführlich berichtet, doch im öffentlich-rechtlichen ORF schwieg man sich aus. Nur eine kleine Meldung auf der Netzseite gab es. Im Fernsehen und im Radio wurde die Causa erst gar nicht erwähnt. Ebenso bemerkenswert ist, dass die meisten Medien den Namen des Botschafters nicht erwähnten und nur von einem „Diplomaten“ oder „Botschafter“ sprachen, obwohl der Vertreter Österreichs bei der EU in dieser Funktion wohl kaum eine Privatperson ist und die Vorkommnisse viel mehr als eine Privatangelegenheit ist.
Auch NEOS-Chefin und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, die Hafenecker aufgrund ihrer politischen Sozialisierung in der ÖVP als „Krypto-ÖVPlerin“ bezeichnete, schweigt bisher zu der pikanten Angelegenheit.
„Projekt Ballhausplatz“ wirkt bis heute nach
Besonders kritisch sieht die FPÖ die enge parteipolitische Verflechtung von Schlüsselpersonalien im Außenministerium mit dem ÖVP-Netzwerk rund um das „Projekt Ballhausplatz“. Nicht nur im Finanz- und Innen-, sondern auch im Außenressort scheinen die schwarzen Netzwerke ausgeprägt zu sein. Hafenecker verweist auf zwei aktuelle Fälle. In diesen sollen erfahrene Beamte zu Gunsten ÖVP-naher und teilweise weniger qualifizierten Personen Stellen im Außenministerium nicht bekommen haben. In einem dieser Fälle war auch der mutmaßliche Blog-Betreiber Oberreiter Mitglied der Entscheidungskommission.
Aus Sicht der FPÖ gehen die schwarzen Netzwerke im Außenministerium auf den ehemaligen ÖVP-Minister Michael Spindelegger zurück. Diese Netzwerke, von denen beispielsweise Thomas Schmid, Sebastian Kurz und Gernot Blümel profitiert haben sollen, gebe es dort bis heute, analysiert Hafenecker.
Whistleblower-Seite eingerichtet
Deshalb präsentierten Schnedlitz und Hafenecker eine Whistleblower-Plattform. Unter www.bmeia-watch.at können nun anonym Fälle von ungerechten Personalentscheidungen, politischen Netzwerken oder auch Mobbing im Außenministerium melden.
Weitere Infos:
Mehr Informationen zu diesem Fall erfahren Sie noch diese Woche in einem „Info-DIREKT Live-Podcast“, in dem der Aufdecker des Skandals Alexander Surowiec zu Gast sein wird. Folgen Sie Info-DIREKT jetzt auf Telegram und/oder YouTube, um am Laufenden zu bleiben:
Hier präsentierten die beiden freiheitlichen Generalsekretäre die Erkenntnisse rund um den Skandal im Außenministerium und die neue Whistleblower-Plattform: